Global – National – Lokal? Erfahrungen mit einer lokalen Community aus Deutschland

Gastkommentar von Patrick Hünemohr für die Landesmedienanstalt NRW / August 2008

1. Vom Nutzen lokaler Communitys

Das Konzept der globalen und nationalen Hochleistungscommunitys wird nur in den Fällen Bestand haben, wo das Produkt eine extrem starke Bindung erzeugt, wie z.B. in virtuellen Welten. Facebook vermeldet gerade 100 Millionen Mitglieder, „Wer-kennt-wen“ meldet 2.1 Mio. Nutzer, aber in beiden Fällen stellt sich die Frage, wie viele davon sind wirklich aktiv sind und womöglich Geschäft erzeugen. Und: Stellen mit Markennamen versehene Facebook-Applikationen ein erfolgreiches Geschäftsmodell dar oder ist das ein viraler Effekt, der sich abnutzen wird?

Das Gegenstück zu den Hochleistungscommunitys sind lokal angepasste, die Möglichkeiten und den Erfahrungsschatz vor Ort ausschöpfende regionale Communitys, die auf aktive Mitglieder setzen, wie z.B. die bereits seit dem Jahr 2000 bestehende eifelarena.de mit dem regionalen Schwerpunkt der Nordeifel.

Interessante Idee dieser Community ist es, die neuen Möglichkeiten des Web 2.0 im 21. Jahrhundert im Sinne eines seit 180 Jahren bestehenden, obwohl natürlich den aktuellen Entwicklungen angepassten, Geschäftsmodells eines Verlagshauses zu nutzen: Mit diesem Ansatz soll vor allem kleinen und mittleren Unternehmen ein neuer Weg zur Ansprache ihrer Kunden vor Ort und im realen Leben geboten werden.

Bei der Einführung der Community im Jahr 2000 galt es zunächst, die Kommunikationsplattform erfolgreich zu etablieren. Allerdings folgte auf den Versuch, mit klassischen Werbemodellen wie z.B. Bannern oder mit performanceorientierten Textanzeigen Erlöse zu generieren, eine massive Beschwerdewelle seitens der Nutzer. Daher wurde 2007 die Strategie für eifelarena.de neu ausgerichtet. Ziel ist es nun, so viel und so schnell wie möglich aus der Community zu lernen:

Was bewegt die Menschen?
Was sind die Nutzungsanlässe?
Welchen Spaß und welchen Nutzen erwarten die Menschen in virtuellen Communitys?
Wie wirkt sich das im realen Leben aus?

Hieraus werden Ideen für Produktanpassungen generiert und die daraus entwickelten neuen Angebote werden der Community zur Verfügung gestellt. Dieses Geschäftsmodell basiert – in der Sprache des Web 2.0 ausgedrückt – auf „Matchmaking“ und „Business Enabling“.

Als konkretes Beispiel für eine aus der Community heraus geborene Anwendung sei an dieser Stelle der Ausbildungswegweiser für die Region Nordeifel angeführt. Dazu wurde der umfangreiche Bestand von Firmenadressen dieser Region analysiert und mit weiteren Informationen über die grundsätzliche Verfügbarkeit von Ausbildungsplätzen angereichert. Mitglieder der eifelarena.de können jetzt, nach Branchen sortiert, nach Firmen mit einem Ausbildungsangebot in der Region suchen. Für die Nutzer stellt dies ein einfaches Hilfsmittel dar, um schnell und einfach Kontakt zu im Wunschberuf ausbildenden Betrieben zu bekommen, für die Firmen bedeutet es einen Imagegewinn und ein ideales Kommunikations-Werkzeug auf der Suche nach zukünftigen Arbeitskräften, mit anderen Worten eine typische „Matchmaking“-Situation, die in zukünftigen Produkten aufgegriffen und ausgebaut werden soll.
Ein weiterer innovativer Ansatz, mit dessen Hilfe gerade kleine und mittlere Unternehmen in Kontakt mit jungen Zielgruppen vor Ort kommen können, sind die Experten-Chats im Rahmen der Community, wie z.B. der vor kurzem veranstaltete Chat zum Thema Autotuning und Autopflege, der auf extrem starke Nachfrage seitens der Community-Nutzer gestoßen ist. Neben der Bereitstellung wertvoller Inhalte durch den Verlag werden die Community-Mitglieder ermutigt, ihren eigenen Content beizusteuern. Der dadurch erhoffte virale Effekt ist, die User dabei zu unterstützen und zu animieren, Stück für Stück einen Teil ihres alltäglichen sozialen Lebens in die eifelarena.de zu übertragen, aber auch einen Mehrwert aus der Community in das reale Leben mitzunehmen.

Weitere Features, die den inzwischen ca. 60.000 registrierten Mitgliedern von eifelarena.de – fast zu 100% aus dem regionalen Umfeld der Nordeifel – zur Verfügung stehen, sind die Möglichkeit, eigene Profile zu erstellen sowie Videos und Fotos hoch zu laden. Dabei geht es darum, eine eigene Identität in der Community zu entwickeln und individuelle Wiedererkennungseffekte zu schaffen.

Darüber hinaus wird die Kommunikation und Interaktion zwischen den Mitgliedern über Funktionen wie z.B. Chats oder Foren stimuliert – und das sogar nicht nur im virtuellen, sondern auch im realen Leben: Regelmäßig wird zu Chattertreffs animiert, wo man sich auch mal „abseits der Tastatur“ kennen lernen kann, was in einem lokal ausgerichteten Social Network viel mehr als in nationalen oder gar globalen Netzen im Vordergrund steht.

Aber auch weitere Funktionen dienen dazu, Mitglieder von eifelarena.de stärker in Aktivitäten in der Community einzubinden, so z.B. das Twittern (mobiles Micro-Blogging mit maximal 160 Zeichen über das Web – der neueste Schrei der Kommunikations-Freaks) oder die Möglichkeit, eigene Interessengruppen ins Leben zu rufen und zu managen, wie es bereits etwa 20 so genannte VIPs der eifelarena.de tun. Wichtig ist dabei, vertrauensvolle Beziehungen und emotionale Bindungen zwischen den Mitgliedern herzustellen.

2. Perspektiven

Wie kann es mit lokalen Communitys weitergehen? Den Schlüssel zum Erfolg sieht der Verlag in der Stimulierung sozialer Interaktion. Auch funktional wird daher die o.g. Gruppenfunktion über den derzeitigen Stand noch wesentlich erweitert werden müssen. Zwei wesentliche Aspekte, die in den nationalen oder globalen Communtys nur schwer zu realisieren sind, ist die Organisation von Events und die Kommunikation mit Community-Mitgliedern in der Nähe:

So wird es beispielsweise eine Möglichkeit geben, eigene Real-Life-Events innerhalb der Gruppen zu organisieren und Einladungen an Dritte zu versenden. Dabei können auch Nicht-Mitglieder der Gruppe oder der Community eingeladen werden – es soll gerade gefördert werden, auch Personen von außerhalb, Freunde, Mitglieder anderer Interessengruppen, Mitglieder, die in der Nähe leben, manuell selektierte Mitglieder oder auch frei einzugebende E-Mail-Adressen, in die Gruppe oder Community hineinzuziehen. Der Treffpunkt wird dann – auch dort Nutzung von Community-Merkmalen – anhand einer Liste passender Lokalitäten ausgewählt. Selektionskriterien könnten dann z.B. sein das Speisen- und Getränkeangebot, aber möglicherweise auch völlig andere Kriterien, die eine junge Community viel eher interessieren – vielleicht Musikrichtung, technische Einrichtung, Biersorten, Bio-Angebot oder Bushaltestelle in der Nähe.
Ein weiteres zentrales Schlagwort, das für eine regional und lokal orientierte Community mit einer jungen Zielgruppe wichtig ist, ist Entfernung. Damit soll nicht nur die soziologische Entfernung – also, über wie viele Ecken man jemanden kennt – gemeint sein, sondern auch die Entfernung in der Region. Gerade sehr junge Zielgruppen, die möglicherweise nicht allzu mobil sind, möchten vielleicht wissen, wer von den Community-Mitgliedern gerade in der Nähe ist oder sogar dort lebt.

Sicher sind das nur ganz wenige denkbare Optionen der Weiterentwicklung, aber die Richtung zeigt bereits, dass Online-Communitys mit zu den bedeutendsten Treibern der Nutzung des Internet der Zukunft gehören könnten. Es wird jedenfalls spannend, selbst wenn natürlich in der Realisierung noch zahlreiche Klippen zu umschiffen sind, von der Akzeptanz über die Technik bis hin zu Sicherheit.

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